BGH: Banken müssen Tilungungsrecht bei Vorfälligkeitsentschädigung berücksichtigen
Der Tagesspiegel - Ursula Knapp

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechte von Bankkunden gestärkt, die ein Darlehen vorzeitig zurückzahlen. Die bei vorzeitiger Rückzahlung anfallenden Vorfälligkeitszinsen werden künftig niedriger ausfallen. Denn nach dem aktuellen Urteil des BGH müssen die Sondertilgungsrechte des Kunden bei der Berechnung der Vorfälligkeitszinsen berücksichtigt werden. Die von den meisten Geldhäusern verwendete Klausel, wonach die Sondertilgungsmöglichkeit nicht eingerechnet wird, wurde vom Bundesgerichtshof jetzt für nichtig erklärt.

Es ging um ein Darlehen von rund 84.000 Euro, das Kunden einer Sparkasse im Raum Aurich vorzeitig zurückzahlen wollten. Wie in solchen Fällen üblich berechnete die Bank Vorfälligkeitszinsen. Der Kunde muss also die Zinsen bezahlen, die die Bank bei Einhaltung der gesamten Laufzeit des Darlehens erhalten hätte - und diese Zinsen fielen ihm zu hoch aus. Denn die meisten Darlehensnehmer haben ein Sondertilgungsrecht. Sie können in der Regel bis zu fünf Prozent der ursprünglichen Darlehenssumme jedes Jahr extra tilgen. Durch diese Sondertilgungsmöglichkeit sinkt der Zinsanteil schneller. Wird das Darlehen vorzeitig vollständig zurückgezahlt, rechnet die Bank allerdings so, als würde es in der Restlaufzeit keine Sondertilgungen mehr geben. So war es auch im konkreten Fall.

Die Sparkassenkunden wandten sich an die Verbraucherzentrale in Hamburg, die gegen die Klausel klagte. Die Vorinstanzen urteilten unterschiedlich. Das Landgericht Aurich hielt die Klausel für wirksam, das Oberlandesgericht Oldenburg sah dagegen eine unangemessene Benachteiligung der Kunden. So ging der Fall in die letzte Instanz, den BGH in Karlsruhe. Der zuständige neunte Zivilsenat des BGH kippte die Berechnungsregel nun endgültig.

Zur Begründung heißt es, die Zinserwartung der Bank sei durch das Sondertilgungsrecht begrenzt. Werde das aber bei der Vorfälligkeitsentschädigung außer Acht gelassen, führe das zu einer Überkompensation (Aktenzeichen: Bundesgerichtshof XI ZR 388/ 14).

Das Urteil hat für die Praxis große Bedeutung. Denn vorzeitige Rückzahlungen sind keineswegs selten. Wird beispielsweise ein Haus oder eine Eigentumswohnung verkauft, wird das Darlehen in aller Regel vorzeitig gekündigt und dann vollständig zurückgezahlt. Verkaufszeitpunkt und Ende der Darlehenslaufzeit fallen in den seltensten Fällen zusammen. Ob bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die jährlichen Sondertilgungsmöglichkeiten berücksichtigt werden oder nicht, wirkt sich bei Darlehenssummen von oft mehreren hunderttausend Euro deshalb häufig merklich aus.

Künftig müssen Sondertilgungsmöglichkeiten also eingerechnet werden. Allerdings nur die, die bis zum Vertragsende noch bestehen. Hat ein Darlehensnehmer in der Vergangenheit keinen Gebrauch von den Tilgungsmöglichkeiten gemacht, sind diese Tilgungsbeträge verloren.

Quelle: Der Tagesspiegel - Ursula Knapp